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Ein interkulturelles Bildungs- und Sportprojekt für Jugendliche

EBS Jahresbericht 2015

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Abschlussbericht Namibia Windhuk 2015

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Teil 10: Eine Sehenswürdigkeit: Das Stadion in Kapstadt


Die letzte Woche in Südafrika ist schon im vollen Gange. Langsam wird mir klar, dass ich nur noch wenige Tage in diesem wundervollen Land bin. Gedanken schießen mir durch den Kopf: Habe ich alles gegeben? Hätte ich vielleicht noch mehr machen können? Wie werde ich mich fühlen wenn ich wieder deutschen Boden unter den Füßen habe? Hab ich alles verarbeitet? Fragen über Fragen in meinem Kopf. Da ich am Anfang der Woche gesundheitlich angeschlagen war, hatte ich viel Zeit um nachzudenken.

Südafrika und vor allem Kapstadt haben sich in den wenigen Wochen die ich nun hier bin, bereits zu einem Zuhause entwickelt. Ich werde wiederkommen und weitermachen. Die Menschen hier geben mir so viel Kraft und Mut, was ich nur schwer in Worte fassen kann. Ich bin überwältigt von der Vielfalt. Betrachtet man es so wie ich als Außenstehender, sieht man aber auch, dass Vielfalt bedeutet, dass Arm und Reich manchmal nur durch eine Straße getrennt sind.

Und speziell in den letzten Tagen ist mir so einiges bewusst geworden, wie zum Beispiel die Tatsache, dass niemand etwas dafür kann wann und wo er geboren wurde. Aber in Kapstadt wird der Colored-Bevölkerung genau das nicht vermittelt, eher das Gegenteil. Sie sind zu weiß, um sich wie ein Afrikaner zu fühlen und zu farbig um ein weißer Afrikaner zu sein. Komische Situation wie ich finde. Gemerkt habe ich das schon von Beginn an. Als ich aber am Mittwoch zu den Schulen gegangen bin, um die Preise für die Jungs vom Turnier vorbeizubringen, kam es mir wieder in den Sinn. Neugierig, nervös und voller Erwartungen schauten mich die Kids an. Ich übergab jedem ein T-Shirt und ein Armband. Sie waren überglücklich und so stolz auf das Shirt vom DFB, dass ihre Augen das Strahlen gar nicht mehr wegbekommen haben. Schnell zogen sie es sich über die Schuluniform und umarmten sich gegenseitig. Das wochenlange Training zur Verbesserung des Teambuilding hat funktioniert. Sie waren eine Einheit, haben zusammen erfolgreich teilgenommen und sich bestens präsentiert. Überwältigt von dieser Situation machten wir noch ein paar Fotos. Dann gab es noch für jede Schule Fußbälle, die mir Iris Henkel von „Auf Ballhöhe“ vorbeigebracht hatte. Diese können die Kinder dann im Sekretariat für die Pausen ausleihen und so über das Soccer Programm hinaus gemeinsam spielen und trainieren. Viele von ihnen haben gemerkt, dass sie ihre Stärke im Kicken haben und dass sie schnell Fortschritte machen, wenn sie nur fest genug an sich glauben. Sie werden mir alle wahnsinnig fehlen, denn irgendwie habe ich jeden einzelnen von ihnen in mein Herz geschlossen.

Nach diesem tollen Start in den Tag ging es mit Oliver und Theo, beide arbeiten für die Foodbank in Kapstadt, nach Khayalitsha. Ich war froh, dass sie dabei waren. Theo ist nämlich dort aufgewachsen und kennt immer noch die meisten Straßen und Ecken. Khayalitsha bedeutet übersetzt „Die neue Siedlung“. Von neu im Sinne von ungebraucht wie wir es kennen, kann dort nicht die Rede sein. Wagt man einen Blick über das drittgrößte Township Südafrikas sieht man viel Müll, Schrott und Blech. Daraus bauen sich die Bewohner so genannte „Shacks“, das sind Wellblechhütten oft ohne Strom und fließend Wasser. Die Einwohnerzahl kann man hier nur schätzen, sie liegt bei über 1,6 Millionen Menschen. Bayreuth und Leverkusen kommen, auch zusammengerechnet, nicht an diese Anzahl heran. So was habe ich bisher noch nicht gesehen, geschweige denn besucht. Daher war ich sehr gespannt darauf, auch weil es noch mal ganz andere Verhältnisse sind, als in Lavender Hill. Schon beim ersten Stopp fing mein Kopf wieder zu arbeiten an. Wir besuchten eine Art „Neubau“. In der Silvesternacht zerstörte ein gewaltiges Feuer etwa 50 Hütten, die nun vor dem Winter wieder eigenständig aufgebaut wurden. Wir bekamen die Gelegenheit in eine der Wellblechhütten reinzuschauen. Nur ein Wellblech schützt die Menschen da vor dem eisigen Wind. Einen Fußboden gibt es nicht, nur Sand. Von Strom und Wasser ist auch weit und breit nichts zu sehen. Und dass wo der Winter doch nicht mehr lange auf sich warten lässt. Auf drei bis sechs Quadratmeter wohnen hier bis zu 10 Menschen. Eine Privatsphäre gibt es da nicht und aus dem Weg kann man sich auch nicht gehen. Vielleicht sind die Leute dort auch deswegen so liebevoll und familiär zu Gästen. Sehr erschreckend war für mich die Toilettensituation. Erst einmal schön, dass es welche gibt, aber diese befinden sich einige hundert Meter entfernt hinter einer Düne am Zaun zur Straße. Wenn Frauen also im Dunkeln dorthin gehen, kann gar nicht verhindert werden, dass Übergriffe auf sie passieren. Es gehört da ja fast schon zur Tagesordnung. Schon ein komisches Gefühl, als weiße Europäerin zwischen den Shacks durchzulaufen. Die Reaktionen der Bewohner sind dabei auch sehr unterschiedlich. Einige sind stolz, dass sie ungewohnten Besuch bekommen, andere starrten uns einfach entsetzt an. Auch als wir danach Cordelia im Arthur’s Educare Center besuchten, reagierten die Kinder sehr unterschiedlich auf uns. In Lavender Hill kamen sie angerannt, wollten mich anfassen und mir nahe sein. In Khayalitsha waren es eher unglaubwürdige Blicke, vereinzelt mussten auch ein paar von ihnen weinen. Cordelia aber freute sich sehr über unseren Besuch und zeigte mir ihren Kindergarten. Es war alles sehr liebevoll eingerichtet, allerdings nicht mit dem von der New World vergleichbar. Denn in Khayalitsha schlafen die Kinder ohne Matratzen auf dem Boden, fast wie gestapelt liegen sie sogar im Flur. Cordelia und ich zogen uns ins Büro zurück, um ein bisschen ungestört zu reden. Ich wollte herausfinden, wie die momentane Lage vor Ort ist. Sie sicherte mir zu, dass nach dem Tod von Vicky im November, die Situation wieder besser geworden ist. Ihr Verlust ist dramatisch und Cordelia denkt täglich an sie. Trotzdem ist es auch erfreulich zu hören, dass es bei ihr bis auf ein paar Ausnahmen ganz gut funktioniert. Um die Kinder nicht beim Schlafen zu stören, fahren wir zum Football For Hope Center. Es stellt sich als idealer Ort für ein Turnier heraus. Eine gepflegte Kunstrasenanlage, die in Zusammenarbeit mit der FIFA und weiteren Sponsoren aufgebaut worden war. Einige Jungs saßen auf dem Rasen und warteten auf einen Ball. Leider konnte ich damit in diesem Moment nicht dienen, obwohl ich gerne eine Runde mit ihnen gekickt hätte. Den letzten Halt machten wir bei einer Köchin, die ab sofort von der Foodbank mit Lebensmitteln beliefert wird. Sie zeigte uns stolz ihre Küche. Als sie uns den Teller mit Gemüse zeigte, sieben Karotten, neun Kartoffeln und ein paar Bohnen, und sagte das muss am Montag noch für 60 Portionen reichen, waren wir sprachlos. Auch aus diesem Grund fährt Oliver in der kommenden Woche noch mal zu ihr. Wow, viele viele neue Eindrücke, ich wusste gar nicht wohin damit.

Auf dem Heimweg saß ich allein im Auto und kam in den Feierabendverkehr. Da war ich nun, mitten auf der Autobahn auf dem Weg zurück in meine Welt. Aus dem Radio dröhnte Bryan Adams mit „Everything I do, I do it for you“, mir schossen die Tränen in die Augen. Noch nie war ich so emotional wie in diesem Moment. Ich setze meine Sonnenbrille auf und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Ich brauchte es in diesem Moment. All die Eindrücke musste ich verarbeiten. Als ich daheim ankam nahmen mich die Mädels in den Arm. Sie merkten, dass ich jetzt Unterstützung brauchte. Und dann war ja auch noch Antjes Abschied. Gepaart mit meinen Gedanken war dies einer der emotionalsten Tage die ich je erlebt habe. Wir saßen noch ein bisschen zusammen und unterhielten uns. Danach brachte ich Antje zum Flughafen. Angekommen am Check-In Schalter dachte ich: „Mist in einer Woche ist es bei mir auch schon so weit.“ Es hat mir echt das Herz gebrochen sie gehen zu sehen. Wir haben seit meinem ersten Tag fast alles zusammen gemacht: Uns halb Kapstadt angesehen, viele und intensive Gespräche gehabt und vor allem sehr viel miteinander gelacht. Jetzt versuche ich, trotz meiner gesundheitlichen Probleme, noch so viel wie möglich von Kapstadt aufzuschnappen.

Gestern erfüllte ich mir einen großen Wunsch: Paragliden über Kapstadt. Das Gefühl von Schwerelosigkeit und Unendlichkeit war atemberaubend. So toll habe ich es mir gar nicht vorstellt. Von weitem konnte ich einen anderen Paraglider sehen, bei dem es so aussah, als hätte er Probleme, da er nahezu gerade nach unten flog. Ich fragte meinen Pilot, ob bei dem anderen Paraglider alles in Ordnung sei. Er fragte mich daraufhin, ob ich Achterbahnen möge. Und natürlich mag ich sie. „Okay“, sagte er, „dann halt dich gut fest“. Und in wenigen Sekunden ging es von der Höhe vom Tafelberg runter auf 200 Meter. Wow, das war es - eines der besten Abenteuer die ich bisher gemacht habe.

Und als wäre das nicht schon ein Ereignis genug, besuche ich heute Abend das Stadion von Kapstadt. Bafana Bafana spielt gegen Zentral Republik Afrika im Rahmen der Qualifikation für die WM in Brasilien. Ich bin gespannt und echt aufgeregt. Denn Bafana live zu sehen, ist nicht alltäglich. Let’s Go! Die Vuvuzela habe ich natürlich auch im Gepäck ;)